Glas 2015 - 6. Immenhäuser Glaspreis
Vorbemerkung
Die Jury hat es sich nicht leicht gemacht bei der Wahl der Preisträger zum 6. Immenhäuser Glaspreis. Aus den mehr als 130 Objekten musste sie in ihre Sitzung die drei Preisträger ermitteln.
Sichtlich schwer fiel es den Mitgliedern der Jury, bestehend aus Frau Dr. Katrin Holthaus, Standortleiterin Glasmuseum Gernheim beim LWL Industriemuseum, Herr Dr. Rolf Luhn, Geschäftsführer der ART-regio Kunstförderung bei der SV SparkassenVersicherung, Frau Dr. Ulrike Hoppe Oehl, Geschäftsführerin der Ernsting-Stiftungen, Coesfeld, Herr Dr. Sven Hauschke, Leiter Europäisches Museum für Modernes Glas, Rödental und Frau Marianne Tazlari, Museumsleiterin Glasmuseum Wertheim. Dennoch konnte bei der Sitzung im Glasmuseum eine Entscheidung getroffen werden.
Aus der großen Fülle qualitativ hervorragender Arbeiten wurden die drei von der Stadtsparkasse Grebenstein (1.500,-- Euro), art regio, dem Kulturengagement der SparkassenVersicherung (1.000,-- Euro) und dem Magistrat der Stadt Immenhausen (500,-- Euro) gestifteten Geldpreise vergeben.
Respekt zollt die Jury zunächst, ohne weitere Namen zu nennen, einer Reihe von schon seit Jahrzehnten etablierten Glaskünstlern, die hervorragende, ausgereifte Arbeiten eingesandt haben, aber auch den zahlreichen Neulingen.
Die Jury vergab die drei Preise, wobei der dritte Preis an zwei gleichwertig eingeschätzte Arbeiten vergeben wurde, und sprach einem jungen Künstler für seine Arbeiten eine Belobigung aus. Während der Finissage am 10. Oktober 2015 wurden die Preise vergeben.
Preise
Lena Feldmann 1. Preis
„neunundachtzig x 0“, (2014)
gestiftet von der Stadtsparkasse Grebenstein
Mit dem 1. Preis wird der Wettbewerbsbeitrag von Lena Feldmann ausgezeichnet und eine junge Künstlerin geehrt, die am Anfang ihres glaskünstlerischen Werdegangs steht.
Die Arbeit „neunundachtzig x 0“ ist eine in technischer Sicht nahezu perfekte Ofenverschmelzung aus farblosem mattiertem Glas, gleichzeitig aber auch der poetische Versuch, das fragile Konstrukt aus Luft und Hülle von Seifenschaum einzufangen.
Der „Schaum“ wird begreifbar und in seiner vergänglich-flüchtigen Struktur erkennbar. Der Betrachter stellt sich die Frage nach Luft und Materie, nach positiv und negativ oder schlicht Schaum oder Nicht-Schaum. Als dreidimensionales, perfekt ausbalanciertes Objekt zwingt es den Betrachter, von allen Seiten zu schauen und das Kunstwerk in seiner Gesamtheit wahrzunehmen.
Dieses Objekt in Glas herzustellen zeugt von einer meisterhaften handwerklichen Beherrschung des Materials und von einer genauen Kenntnis seiner Eigenschaften.
Die Art und Weise wie Lena Feldmann den Inhalt ihrer Arbeit durch die Form vermittelt, hat die Jury bei der Preisvergabe überzeugt.
Wilfried Grootens 2. Preis
„w.t.s.b.b.“, (2014)
gestiftet von Art Regio, dem Kulturengagement der SparkassenVersicherung
Mit dem 2. Preis wird eine Arbeit von handwerklicher Perfektion und ästhetischer Poesie bedacht. Der quadratische Glasblock von Wilfried Grootens besteht aus Flachglasscheiben, die nach einem ausgeklügelten System bemalt, verklebt und poliert werden. Was einfach erscheint, erweist sich aber als wahres Meisterwerk an Bildhauerkunst und Malerei.
Wilfried Grootens nutzt das Licht als notwendigen Begleiter für sein Glasobjekt und fordert den Betrachter auf, die Feinheiten dieser Arbeit zu erkunden. Das Innenleben des transparenten, geometrischen Raumes wird erst durch einen Standortwechsel des Betrachters vollständig enthüllt. Der Betrachter wird zum interaktiven Bestandteil. Das nur aus einem bestimmten Blickwinkel erkennbare, an zarte Blütenköpfe mit fragilen Staubgefäßen erinnernde, fast flauschige Innere, von Grootens schlicht mit „Glasmalerei“ beschrieben, scheint zu schweben und lässt die Zweidimensionalität jeder einzelnen Glasplatte nur erahnen. Die im Boden sandgestahlte „Gebirgslandschaft“ nimmt dem Kubus seine Blockhaftigkeit und verleiht dem kompakten Objekt eine zusätzliche Leichtigkeit.
Die materialgerechte Bearbeitung und die handwerkliche Präzision, verbunden mit der künstlerisch-ästhetischen Komponente, überzeugte die Jury und führte zur Vergabe des 2. Preises.
Torsten Rötzsch 3. Preis
„Monolith“, (2014) und „Venedische Gardinen“ (2014)
gestiftet vom Magistrat der Stadt Immenhausen
Die Jury würdigt explizit beide eingereichten Arbeiten, die sich in ihrer Intention sehr voneinander unterscheiden. Auf der einen Seite gibt es den perfekt gearbeiteten Monolithen aus dunklem, farblos überfangenem Glas. Dieser in seiner strengen Schlichtheit auf eine geometrische Form reduzierte Glaskörper von beeindruckender Einfachheit besticht durch die sichtbaren Spuren der nachträglichen Oberflächenbearbeitung durch Schliff und Politur. Abstrakt und schlicht, ohne Effekthascherei, allein auf das Material konzentriert und meisterlich bearbeitet.
Ganz anders dagegen wirkt das Experiment, die alte venezianische Reticello-Technik nicht für einen Hohlkörper, sondern für eine Flachglasscheibe zu verwenden. Diese Scheiben, eingesetzt in einen alten Fensterrahmen, werfen zarte Schatten auf die dahinter liegende Wand und zeichnen ein eher suggestives Bild des Glases.
Auch hier zeigt sich die meisterhafte Beherrschung des Materials, denn nur wer sein Metier beherrscht, kann sich zu solchen Experimenten hinreißen lassen.
Besonders die Fenster-Arbeit bewegt sich im Bereich der freien Kunst, jede für sich zeigt aber das künstlerische Potential, die Rötzsch bei seiner Arbeit mit dem Material an den Tag legt.
Belobigungen
Thomas Kuhn Belobigung ausgesprochen von der Jury
„ohne Titel“, (2014) und „PG-L-823“, (2014)
Eine Anerkennung für seine künstlerische Arbeit sprach die Jury Thomas Kuhn aus. Der junge Absolvent des Instituts für Künstlerische Keramik und Glas in Höhr-Grenzhausen ist mit zwei formgeschmolzenen Glasarbeiten vertreten, die beide dasselbe künstlerische Konzept verfolgen: Einen Alltagsgegenstand in Glas abzubilden. Das allein wäre aber nicht erwähnenswert, würde Kuhn dieses Konzept nicht in beeindruckender Weise ausweiten. Bei seinen Alltagsgegenständen handelt es sich um eine Styroporplatte bzw. um Verpackungsmaterial aus Styropor.
Die gebrochene Styroporplatte, ein federleichtes Stück Kunststoff, mit sichtbaren Bruchkanten und den charakteristischen Kügelchen an den Rändern, erfährt ihre exakte Nachbildung im Glas.
Gleiches gilt für die einen Gegenstand beim Transport bruchsicher schützenden Verpackungselemente.
Doch es ist nicht nur die bloße Nachbildung, die die Jury überzeugte. Das Konzept des Aufmerksam Machens auf die Alltagsgegenstände, die diesen Kunstwerken zugrunde liegt, und die Umsetzung dieses Konzepts in das Material Glas ist überzeugend gelungen. Nicht nur die Materialeigenschaften verändern sich von leicht zu schwer und von weich zu hart. Auch die Wertigkeit des Materials vom billigen Styropor zum edlen und hochwertigen Glas erfährt einen Wandel.
Publikumspreis
Wilfried Grootens Publikumspreis
„w.t.s.b.b.“, (2014 / Bild siehe S. 1)
Der Publikumspreis wurde von den Besuchern der Ausstellung gewählt. Er ist mit 250 Euro dotiert und wird von der Gesellschaft der Freunde der Glaskunst vergeben.
Download
GLAS 2015 - 6. Immenhäuser Glaspreis - Ausschreibung
GLAS 2015 - 6. Immenhäuser Glaspreis - Flyer
GLAS 2015 - 6. Immenhäuser Glaspreis - Plakat
GLAS 2015 - 6. Immenhäuser Glaspreis - Preisträger