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Glas 2006 - 3. Immenhäuser Glaspreis

 


Vorbemerkung


 

Votum der Jury zum 3. Immenhäuser Glaspreis

 

Von der Anzahl und der Qualität der zum 3. Immenhäuser Glaspreis eingereichten Arbeiten her kann festgestellt werden, dass der Prozess der Ablösung der Studio- bzw. Hüttentechnik als Jahrzehnte lang dominierende Arbeitsweise bei der künstlerischen Gestaltung von Glas durch andere Techniken weiter fort geschritten ist. Vor allem die klassische Lampenarbeit und Fusingverfahren sowie Montagen von Glas und verschiedenen anderen Materialien wie z.B. weichen Stoffen (Nylonfäden, Weidengeflecht) werden vermehrt zur Realisierung neuer Ideen eingesetzt. Dies drückt sich denn auch im Votum der Jury aus, die die ersten beiden Plätze an Arbeiten in Lampentechnik vergeben hat. Der dritte Preis und die beiden durch den Förderverein der Glasfachschule Hadamar vergebenen Sonderpreise repräsentieren Fusingtechniken und die Gravur von Flachglas. Aufgrund der großen Anzahl von hervorragenden Arbeiten hat sich die Jury zudem dazu entschlossen, dass alle Juroren ein Sondervotum aussprechen, das allein subjektiven Kriterien entspricht. Respekt zollt die Jury zudem, ohne weitere Namen zu nennen, einer Reihe von schon seit Jahrzehnten etablierten Glaskünstlern, die hervorragende, ausgereifte Arbeiten eingesandt haben.

 


Preise


 

1. Preis

gestiftet vom Magistrat der Stadt Immenhausen
Nadja Recknagel:
„kopflos“, 2005

 

Der 1. Preis würdigt eine beeindruckend souveräne, eigenwillige und markante Ausdrucksform im zeitgenössischen Glasschaffen.

 

Nadja Recknagel, kopflosNadja Recknagel nutzt die traditionelle „Glasstrickerei“ vor der Lampe als Ausdruckmittel ihrer für diese Technik immens großen Skulpturen. In einem langsamen, meditativen Prozess setzt sie Steg an Steg. Dem Betrachter teilt sich beim visuellen Abwandern der unzähligen Stege und Maschen das freie Wachsen der Form mit.

 

Bei „kopflos“, besteht das Gespinst aus zwei ineinander liegenden, röhrenartigen Netzen aus roten Stegen in der Mitte und schwarzen an den Enden. Durch die bewusst textile Anmutung der Skulptur inszeniert die Künstlerin einerseits den langwierigen und durchaus mühsamen Entstehungsprozess der Arbeit, anderseits nimmt sie diese Mühsal durch die schwebend-heitere Leichtigkeit der „Luftmaschen“ wieder zurück. Außen- und Innenform sowie Körperkontur erinnern an Wachstums- und Bewegungsformen lebendiger Naturwesen.

 

Die Arbeit ist durchaus auch als programmatischer Beitrag zur Gattung Skulptur zu sehen: Die "gebaute" Maschenstruktur besitzt eine hohe plastisch-räumliche Qualität. Durch die aufwändige Binnenstruktur und die Einbeziehung des Skulptureninnenraumes hebt sie die Abgrenzung zwischen einem klar definierten Innen und einem davon deutlich geschiedenen Außen auf; ebenso sublimiert sie den Gegensatz zwischen gläserner Härte und textiler Weichheit. Eine Einheit von künstlerischer Idee und meisterlicher Beherrschung der gestalterischen wie technischen Mittel ist spürbar.

 


 

2. Preis
gestiftet von Art regio, ein Kulturengagement der SV SparkassenVersicherung
Dieter Schneider:
“Julia Menge I”, 2005

 

Der 2. Preis würdigt ein wunderbar frisches, spielerisch-heiteres Objektgebilde, das einen Beitrag zur Erschließung neuer Ausdruckswerte durch eine unkonventionelle Nutzung der Lampentechnik darstellt.

 

Dieter Schneider, Mit Einfallsreichtum und Witz nutzt Dieter Schneider wichtige Grundtechniken, zum Beispiel des Glasapparatebaus und persifliert Exaktheit und Funktionalität, die zwangsläufig der handwerklichen Arbeit vor der Lampe zu eigen sind.

 

Seine Skulptur setzt sich aus vielen Einzelteilen zusammen, die alle die gleiche Grundstruktur aufweisen: ein flachgedrückter Gefäßkörper mit aufgelegten Farbglasringen und lang ausgezogenen, spitzen Hütchen. Die serielle Nutzung poetischer, assoziationsreicher Einzelformen und deren Verdichtung zu einer dynamischen Gruppe ergeben ein rhythmisch bewegtes Ganzes. Es weckt vielfältige Analogien zu Natur- und Tierwelt sowie zu Alltagsgegenständen. Aber seine Ausdruckskraft bezieht es besonders aus seiner fröhlichen Unbekümmertheit, die vor allem sich selbst genügt.

 

Aufgrund ihres spannungsvollen Aufbaus, ihres Humors und ihrer Assoziationskraft hat die Arbeit von Dieter Schneider die Jury unmittelbar überzeugt.

 


 

3. Preis
gestiftet von der Stadtsparkasse Grebenstein
Elke Hübner:
„Brückenschlag“, 2005

 

Mit dem 3. Preis wird eine stark sinnbildhafte, skulptural eigenwillige Äußerung in Glas gewürdigt. Mit dem Einsatz einfacher Materialien (Fensterglas, Kupferdraht, Nylonfaden) gelingt Elke Hübner eine verblüffende ästhetische Inszenierung.

 

Elke Hübner, BrückenschlagDurch Laminier- und Fusingtechniken werden ähnlich einem Baukastenprinzip Einzelteile aus verformten Glasplatten mit besonders delikater Oberflächenstrukturierung geschaffen, die anschließend durch "Vernähen" zu einer von den realen Dimensionen losgelösten monumentalen Form zusammengefügt werden.

 

Drei relativ kompakte Einzelmodule (U-Formen) werden durch die gezackten Ränder, die Flecht- oder Nähverbindungen sowie durch die partiellen, filigranen Einschmelzungen aufgewertet und verfeinert. Durch den Wechsel von mattweißen und klaren Flächen entsteht ein inneres Spannungsgefüge. Diese Spannung wird dadurch gesteigert, dass die Platten aus dem spröden Material Glas durch Nylonfäden verbunden werden und die Skulptur durch dieses weiche Material ihre eigentliche Gestalt und Festigkeit erhält.

 

Im „Nähprozess“ entwickelt sich eine besonders ästhetische Kommunikation unter den Komponenten und eine äußerst reizvolle Materialornamentik. In der Reihung der drei „U“-Formen, von denen die mittlere auf dem Kopf steht, zeichnet sich der „Brückenschlag“ jedoch durch eine große Formstrenge aus und Elke Hübner verliert auch nicht den Sinn für formale Zusammenhänge.

 


Sonderpreise

gestiftet von der Glasfachschule Hadamar


 

Anne Wenzel:
Barocke Schale „Orangenhaut“, 2005

 

Mit einem Sonderpreis wird auf eine besonders originelle Inszenierung eines aktuellen Themas im Werkstoff Glas hingewiesen.

 

Anne Wenzel: Barocke Schale Die Arbeit von Anne Wenzel in provokanter mixed media-Technik besticht durch Phantasie, Witz und ironische Brechung. Hervorzuheben ist dabei ihr großes technisches Vermögen, insbesondere ihre gravurtechnische Meisterschaft. Unterschiedliche Glastechniken und Stile werden zitiert und kontrastreich eingesetzt sowie collage- und assemblageartig kombiniert. Die verschiedenen Darstellungsmodi sind subtil auf einen spielerischen Umgang mit verschiedenen Zeit- und Wirklichkeitsebenen abgestimmt.

 

Als Bildträger dient die aus einer Flachglasscheibe ausgesägte Silhouette einer barocken Fruchtschale. Der „Schalendekor“ von barocker Opulenz besteht aus zwei meisterlich gravierten fülligen Frauengestalten, die mit weit ausholenden Armbewegungen an einem reich gedeckten Tischchen sitzen. Ihre sinnliche Körperfülle und Lebenslust kommen als ironischer Kommentar des heutigen Schlankheitswahns daher. In die gleiche Richtung der augenzwinkernden Ironisierung zielt auch der im Tiefschnitt gravierte Eistütenfries am Schalenrand und die titelgebende Orangenhaut, die als von hinten aufgeklebte orangefarbene Überfangglasscheibe in Früchteform im buchstäblichen Sinne präsent ist und durch Sandstrahl und Gravur besondere haptische Qualitäten erhalten hat. Die negativen Konnotationen des Begriffs aus der Kosmetik werden so spielerisch ins Positive gewendet.

 


 

Henrike Wenzel:
Schale ohne Titel, 2005

 

Gewürdigt wird mit einem weiteren Sonderpreis eine innerhalb des gesamten Wettbewerbsangebotes überzeugende Gefäßgestaltung in Glas. Hervorzuheben ist bei der Schale von Henrike Wenzel die verblüffende Beherrschung des Materials und des Verformungsprozesses. Was wie zufällig erscheint ist gezielte Manipulation.

 

Henrike Wenzel: Schale ohne TitelIn historischer Technik steht am Beginn der Herstellung von Flachglas die runde Form einer Kugel, bzw. Glocke. Henrike Wenzel dreht diesen Vorgang um und entwickelt die Rundung ihrer tiefen Schale aus einer Scheibe Flachglas. In die Ränder der Scheibe werden Löcher gebohrt, an denen Stahlseile befestigt werden. In einem durch Beobachtung kontrollierten Brennvorgang wird die Scheibe im Fusingofen frei schwebend, ohne weitere Modeln soweit abgesenkt, bis die gewünschte äußere Form erreicht ist. Diese Form und Entglasungen lassen sich durch die Anordnung der Aufhängungsseile gezielt steuern.

 

Mit einem einfachen Gedanken ist es Henrike Wenzel gelungen, zu neuen, überraschenden und in der strengen Form überzeugenden Ergebnissen zu gelangen. Der Entstehungsprozess, das Fließen, bzw. Absinken des Floatglases wird in der Schale nacherlebbar. Wunderbar geht Henrike Wenzel mit den materiellen Unzulänglichkeiten beim Verformen des Glases um: Randverformungen, die Schmelzränder sowie die Gefäßsilhouette bilden eine Einheit und selbst die in der Regel unliebsame Entglasung wird bewusst als Gestaltungsmittel einbezogen und wird zum reizvollen Dekor an der richtigen Stelle. Anmutungen der Prozessstufen des Glases (Schmelzen, Fließen, Erstarren) spielen mit unseren "Bildern" von Wasser- und Eisformationen.

 


Persönliche Würdigungen der Juroren



Würdigung von Uwe Claassen

Hans Baumgartner:
Vase ohne Titel, 2004

 

Hans Baumgartner: Vase ohne TitelEin großes, mächtiges Ei aus bernsteinfarbigem Glas mit einer Öffnung als oberen Abschluss. Die Oberfläche ist strukturiert durch ein gleichmäßiges Muster von immer wiederkehrenden, geschliffenen geometrischen Formen, die mit zunehmendem Umfang größer werden. Jeweils die gleichen Formen sind durch Grob- oder Feinschliff ausgeführt bzw. poliert. Wie wichtig das Licht für die Präsentation von Glas ist, war bei Hans Baumgartners Vase in der Immenhäuser Ausstellung gut zu beobachten. In der Ausstellungsbeleuchtung fiel das Stück bei den verschiedenen Rundgängen zwar immer wieder auf, aber erst als am Nachmittag die Sonne gewandert war und ihr Licht direkt auf die Arbeit fiel, erwachte sie zu richtigem Leben: Steht die Vase zwischen dem Betrachter und der Sonne, so entsteht durch die Lichtreflexe der Eindruck von Luftblasen in sprudelndem Wasser. Geht man um die Arbeit herum, so erlebt man ein Panorama verschiedenster Lichtspiele, bis beim Blick mit dem Sonnenlicht der matte Grobschliff dominiert und all die wunderbaren Reflexe verschließt, die freilich wieder erscheinen, wandert man nur weiter um die Vase herum. Die Qualität der Arbeit von Hans Baumgartner liegt in ihrem einfachen Grundgedanken, seiner komplexen Entwicklung und der perfekten Ausführung.

 


 

Würdigung von Dr. Ruth Fabritius


Hermann Ritterswürden
„Erlkönig“, 2004

 

Hermann Ritterswürden: ErlkönigDie Arbeit vermittelt in der Fülle ihrer gestalterischen Details, in der Dynamik der Inszenierung und durch die memento-mori-Thematik eher barocke Opulenz als romantische Brechung, wie sie die Erwähnung von Goethes Gedicht und der Schubertschen Vertonung in der Selbstauskunft des Katalogs vermuten lässt. Dem Künstler ist es hervorragend gelungen, die Dynamik der Vorwärtsbewegung von Reiter und Pferd umzusetzen, aber auch eine „glasgemäße“ Ausdrucksform für das Thema Tod und Vergänglichkeit zu finden: Vor der Folie der zurückgenommenen, morbiden Farbigkeit heben sich Farbakzente deutlich ab, die aus Scherben zusammengesetzten Teile – Pferdegerippe, Tod, Reiter und Kind – sind zu einem gleichermaßen fragilen wie verletzbaren Ganzen verbunden.

 


 

Würdigung von Prof. Hubert Kittel


Norbert Kaufmann
"Flaschen", 2005

 

Norbert Kaufmann: FlaschenDie Würdigung für eine souveräne, unprätentiöse Interpretation eines uralten Glasthemas und Standards "Flasche" will auch als Ermutigung für das "Festhalten" an einem Standardthema der Gefäßgestaltung (Gebrauchsform) und seine gestalterische Bewältigung verstanden werden. Die Formgebung der freigeformten Flaschengruppe ist eine natürliche, sanftharmonische Lösung und betont das Vorbild der Zweckformen (Flasche, Schankkaraffe).

Die Farbgestaltung betont dagegen den Objektcharakter - die Flaschen erscheinen teilweise gefüllt… Die warmen, satten Farbtöne, die Eisgestaltung und die dick verschmolzenen, trichterförmigen Flaschenöffnungen suggerieren eine glasspezifische Sinnlichkeit.

 


 

Würdigung von Hartmut Lieb


Henry Knye
“Red in discussion with Al and Jaques”, 2004

 

Henry Knye: Red in discussion with Al and JaquesHervorragend beherrscht Henry Knye die für seine Arbeiten entscheidenden „Ofen- und Lampentechniken“. Dabei bleibt es aber nicht bei der bloßen handwerklichen Perfektion, die jeden Formausdruck behindern kann, nein, Knye beherrscht auch diesen und schafft Spannung aus allen Blickwinkeln, wie er selbst fordert. Und wie beim Puppenschnitzer Cepetto wird hier nicht dem Holz, sondern dem eher kühlen Material Glas Leben eingehaucht. Durch die scheinbare Absurdität der angesetzten „Kopfakzente“ erhält die Gruppe eine vollkommen neue und amüsante Spannungsvariante. Gerne würde ich vom Diskussionsinhalt erfahren, aber er bleibt geheimnisvoll und imaginär.

 


 

Würdigung von Prof. Dr. Ekkehard Schmidberger


Heide Kemper
„Die Karawane des Apoll“, 2004

 

Es gelingt Heide Kemper mit ihrer Arbeit „Die Karawane des Apoll“ durch eine sensible Ästhetik aus unterschiedlichen, vorgegebenen Materialien – Beton, Metall, Glas – ein Sinnbild eines musischen Ortes zu gestalten.

 

Heide Kemper: Die Karawane des ApollAusgangspunkt und Zentrum dieser Arbeit ist nicht Glas, sondern ein Bohrkern, der aus dem 2002 eröffneten neuen Konzerthaus Dortmund, ein Beton-Stahl-Glas-Bau, stammt. Den Betonkern umhüllt ein im Fusingverfahren geformtes Glasband, das weit ausschwingt und dessen fließende Bewegung in feinen Drähten ausklingt. Die Glasfläche dient als Träger für einfache Chiffren von Menschen, die zwischen Pflanzen gruppiert einen Zug bilden. In das Glas eingebrachte Farben und Materialien –Metalloxide, Draht – haben ihre Entsprechung im Beton. Zu dem festen Kern aus dem Konzerthaus vermittelt die Glashülle Harmonie der Materialien, Akkorde der Farben, rhythmische Akzente der Chiffren und eine schwingende Bewegung des Bandes. Die Menschen darauf erfüllen das Kunstwerk wie im Konzerthaus mit Leben.

 

Kassel, den 28. Juli 2006
Für die Mitglieder der Jury
Ekkehard Schmidberger

 


Publikumspreis



Hermann Ritterswürden
„Erlkönig“, 2004

 


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